André Golob

Anmeldedatum: 21.10.2006 Beiträge: 129 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop
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Verfasst am: 10.11.2006, 16:49 Titel: -- Material: Kreuzweg |
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"Düsseldorfer Kreuzweg"
Der Kreuzweg wurde in der österlichen Bußzeit 2005 im Rahmen des Kreativkreises der alt-katholischen Gemeinde Düsseldorf
erstellt und hängt in der Düsseldorfer Thomaskirche aus.
Die Texte wurden für den liturgischen Kreuzweg verfaßt.
1. Station: Jesus wird zum Tode verurteilt
Preisgegeben starken Männern
liegt das Schwache vor dir nieder.
Das, was Angst und Finsternis besiegt,
mit der Stirne in den Sternen
und den Füßen in Zement.
Wahrheit aus dem Mund geschlagen.
Verloren in der Zeit
sind die Worte und verhallen
ungehört und schwach.
Einsam, ausgeliefert
fliegen Tränen heim.
Feuchte Hände
tauchen ein, waschen ab
bittere Säure, schwefelsauren Nachgeschmack.
Der Liebe letzte Heimat
sei verbannt.
Der Stiefelabsatz bohrt sich in den Nacken
Rückrat dehnt sich noch ein letztes Mal.
Schwach sei ich wie du.
2. Station: Jesus nimmt das Kreuz auf
Holz auf Jesu Schulter
auf steilen Abgrund zu.
Bizarres Segel auf dem Rücken.
Der Wind bläst zu und zu.
Reines Herzen treibt davon
auf Unterwelten zu
um alle zu befreien
in Dunkelheit ein Netz aus Licht.
3. Station: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz
Niederdrückende Last zwing in die Knie.
Last der verweigerten Liebe
macht das Kreuz so schwer.
Läßt taumeln, alles schwinden,
das Halt gab.
Wer will solch Schwachem singen
ein Lied?
Wer will schon helfen
will schon berühren
sich besudeln mit Dreck und Blut
und Pestilenz?
Gaffen, Schauen, Staunen aus Entfernung
mit weißen Handschuhen an der Hand.
4. Station: Jesus begegnet seiner Mutter
Der Dolch
in weiches Fleisch -
ein Stich
der Brust die einst gesäugt.
Die Hand die wohl behütend
schützend
zärtlich
herzlich
krallt sich ein.
Bei jedem Straucheln
Jedem Stolpern
Jedem Ton
Doch stolz
trotz tausend Hiebe
trotz triefend Blut
ihr Sohn
bleibt standhaft
in der Liebe -
kein Kompromiß
kein Rücktritt
kein Zögern
der Menschlichkeit
Ihr Menschensohn
trotz Angst –
das ist ihr Sohn,
der einst im Sande malte.
5. Station: Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz zu tragen
Ob Wunder der Wendigkeit
oder geteiltes Leid
ist schwer zu sagen.
Mitgetragen – Mitgekreuzigt – Mitauferstanden,
ausgestanden.
Teilhaft haftet
schwerer Balken,
gefällter Baum,
Atlas-massiv.
Hebewerk,
Hebewert,
herzenswert.
6. Station: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
Spuren -
ein Tuch erinnert sich –
Totenmaske ? Leichentuch ?
In Stoff geschrieben -
Sicht ohne Gesicht.
Besichtigung.
Schweiß, Blut, Eiter, Dreck, Urin, Kot und Schorf
Ausgepreßt, abgedruckt, draufgehalten.
Kühler weißer Stoff ?
Druckstock ?
Sensation !
Schock !
Ausschalter.
7. Station: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
Sand in Mund und Nase.
Ehrt mich die Erde,
so stäupt mich der Staub.
Erschlagen will der Baum,
mich fällen der Gefällte.
Komplizenhaft der einst so stolze.
Nun, ohne Laub -
ein Kapo, eine Knute, eine Last.
Macht Atmen schwer und schwerer.
Ins Nichts greift kalte Hand
und stößt auf seine Form –
massiv und warm und voll Struktur.
Will ihn erblicken, doch der
Nacken will ihm nicht gehorchen.
Im Zwingstock Muskeln, Fleisch und Haut.
Allein der Druck läßt Macht erspüren.
Erbarmungslos Gewicht und Kraft.
Zweites Mal getragen,
Seele totgeschlagen
wie ein Insekt.
8. Station: Jesus begegnet den weinenden Frauen
Keine Trände ist zuviel.
Freuen mit den Freudigen
Weinen mit den Weinenden
Sein Leben, ihr Sterben
Sich berühren lassen
Erschüttert werden
Sterblichkeiten senken
Meer des Elends
den Boden abringen.
Dafür braucht es Stimmen
und Entschlossenheit
und Tränen
Hektoliterweise
9. Station: Jesus fällt zum Dritten mal unter dem Kreuz
Höre,
den Hall,
den Nachhall
vom Fall.
Dumpf schlagen sie
die Pauken.
Immer tiefer geht das Fallen,
immer wieder in den Staub.
Augen, Lippen, Schläfen platzen,
Nasenbeine bersten, Münder stehen auf.
Schadenfreude und Gekicher, hinter vorgehaltner Hand.
Kommandos gellen durch johlendes Gelächter,
Speichel trifft auf trocknen Sand.
Alle guten Dinge,
sind verdreht am Boden,
Kindlein, Junge, reifer Mann.
Kreuz und Spott und Ängste
drücken ihn zum Horizont.
Noch immer schlagen Peitschen
über alles, über alles in der Welt.
Herzzerfleischen,
ungehörter Hilferuf.
Wir sind die Wirrnis.
Ihr seid der Irrtum.
Sie sind
die Sintflut.
Das dritte Mal.
[img]10. Station: Jesus wird seiner Kleider beraubt[/img]
Schonungslos entblößt
Geoutet als Menschenfreund
Entstellt vom Weg der Qualen
Wehrlos, schutzlos, schamlos.
Krallen greifen nach seinem Kleid
Hornige Fingernnägel auf feinem Samt
Mit unnachgiebigem Griff von Pranken wird das Wams
vom Leib gerissen
wie eine Haut
die letzte Würde abgeschält
es bleibt ein Nackt-Objekt, ein Toter
Fühllose Willkür
Der Würfel fällt
Das Fleisch verfällt dem Metzger.
Doch
der Geist erblickt ein neues Kleid
Strenentalergleich, vom Himmel
11. Station: Jesus wird ans Kreuz genagelt
Wie in Butter rammt sich
kalter Stahl in warme Glieder,
johlende Schreie von Wahnsinn und Haß.
Hämmernde Schläge,
Gefäß explodiert -
pulsierende Fontänen schwarz-roten Saftes.
Ans Holz genagelt, angenagelt,
bewegungslos, ausblutend, ausgeliefert, entwürdigt, vergewaltigt.
Unvorstellbarer Schmerzen Irrsinn,
Gesicht zur Grimasse verzerrt.
Ein Röcheln, ein Winseln, ein Weinen, ein Krampfen
Ungerührt die Menge, das Du -
angepaßt, geduckt und feig.
Du warst dabei beim aller ersten Verrat.
In der Masse fühlt sich jeder Schwächling stark.
Wessen Hand, wessen Hammer?
Wessen Nagel, wessen Kreuz?
Du warst dabei,
weil du mit jeder Herde läufst.
Du hast Jesus Christus an das Kreuz genagelt
Du hast,
du haßt.
12. Station: Jesus stirbt am Kreuz
Kreuzigung
Kreuzung
Kreuzzeichen
Kreuzschmerz
Kreuzeleid
Baumstumpf
Grob behauen
Rauhe Fasern
Geschächtet
Letzter Hauch
Ein Satz
Ein Wort
Ein Schrei
Das feuchte Holz
Saugt aus den Atem
Gibt ihn frei
Pulsiert in rot und dunkelröter
Antennen gleich
Zu senden
Es ist aus.
Vielleicht
Vielleicht
Vielleicht
13. Station: Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt
Heiß Geliebtes
braun vor Blut und ohne Macht
liegt nun wieder
auf dem Schoße.
Mütterliche, heiße Träne zerreißt
auf kaltem, totem Leib
gnadenlos wie Marmor
leblos, kühl und schauderhaft.
Nur die Liebe haucht auch jenem
Unbelebten Leben ein,
Die Erinnerung an all das Gute,
Sinn und Hoffnung
Heil und Traum
läßt die Flamme
nicht erlöschen
die sie führt
durchs finstre Tal.
14. Station: Der Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt
Grau in Grau
Ton in Ton
Tod in Tod
Liebevoll auf kaltem Stein
Zum letzten Mal berührt
Die leere Hülle, kein Lachen, kein Zwinkern
Nur Kälte
Nur Tod
Nur Schein.
Kraftvoll stemmen
Muskelmassen
rollen Zentimeterweis
den Steinkoloß
und innen scheint die Dunkelheit.
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Die Bilder zu den Stationen wurden von folgenden Personen gestaltet:
Dr. André Golob:1, 2, 5, 6, 9, 11,
Margret Niehaus: 6, 13
Jenny Planert: 4, 14
Norbert Ludemann: 12
Carsten Stoffel: 7, 8, 10
Texte: Dr. André Golob. |
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