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neuhaus-kiefel

Anmeldedatum: 09.11.2006 Beiträge: 16 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): Singen
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Verfasst am: 27.02.2007, 17:00 Titel: Maria im deutschen Alt-Katholizismus |
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Ich beschäftige mich im Rahmen meines alt-katholischen Theologiestudiums in meiner Abschlussarbeit mit Maria.
Es sei gleich vorausgeschickt: Ich bin nicht der Marienverehrer schlechthin. Aber ich bringe eine gewisse Prägung aus meiner rk Zeit mit, und man kann sich die Frage stellen: muss ich Maria "ablegen", wenn ich alt-katholisch werde?
Die Theologen haben sich viel mit kirchenhistorischen Fragen beschäftigt. Bestimmte Glaubensaussagen sind jedoch nicht ausreichend reflektiert, viele Frömmigkeitsformen abhanden gekommen. Meist schlicht aus Abgrenzung gegenüber Rom.
Ich bin dankbar für jede Anregung, Diskussion und Reflexion zu diesem Thema und möchte Euch zu einem Austausch einladen. |
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Gode Pötter Administrator

Anmeldedatum: 15.10.2006 Beiträge: 317 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 45663 Recklinghausen
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Verfasst am: 28.02.2007, 00:02 Titel: |
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Manchmal, wenn ich bei uns in Bottrop nach dem Gottesdienst an der Orgel sitze, spiele ich ganz gerne ein paar Marienlieder. Ich komme nicht umhin, zuzugeben, dass mich diese berühren. Vielleicht ebenfalls ein Relikt aus meiner früheren r.k. Zeit.
Meine Einstellung zu Maria ist sehr ambivalent. Auf der einen Seite stösst es mich ab, wenn sich eine Marienverehrung so verselbständigt, dass sie den Blick auf Jesus verstellt. Es regt sich dann in mir ein innerer Widerstand gegen eine Volksfrömmelei, die ich als oberflächlich empfinde.
Andererseits weiss ich, dass wir Menschen nicht nur aus rationellem Verstand bestehen, sondern auch aus einer gehörigen Portion emotionaler Seele. Und die "Mutter" ist schließlich das erste und emotionalste, was einem Mensch in seinem Leben begegnet und für immer abspeichert. Insofern ist die Gottesmutter Maria sicherlich auch für uns Menschen die Versinnbildlichung mütterlicher Geborgenheit, Liebe und Schutzpatronin schlechthin.
Zitat: | ... man kann sich die Frage stellen: muss ich Maria "ablegen", wenn ich alt-katholisch werde? ... Meist schlicht aus Abgrenzung gegenüber Rom ... |
Ich bin noch nicht lang genug alt-katholisch, um dahinter gekommen zu sein, warum Maria in unserer Kirche eine dermassen zurücktretende Rolle spielt, wie sie bei der römischen Schwesterkirche im Vordergrund steht. Ich würde mir wünschen, dass unsere Kirche da zu einem Mittelweg findet. Dieser könnte so aussehen, dass Maria unter den Heiligen sicherlich ein herausragende Rolle einnimmt, schließlich ist sie die Mutter Jesu, aber dass die Marienverehrung nicht zu einer eigenständigen Ersatzreligion wird.
Auch wünsche ich mir einen toleranten Umgang mit historisch alten Lied- und Gebetstexten. Der Begriff "Königin" und andere Bezeichnungen mag von manchen vielleicht als kitschig oder überzogene Demutskundgebung angesehen werden. Wer sich Händels Messias und andere großartige Werke alter Meister näher anschaut. findet auch dort oft eine sehr altsprachlich bedingte Wortwahl. Es ist für mich ein Bekenntnis zur Kultur und Wertschätzung gegenüber den Menschen vergangener Zeiten, auch mal hinter die Worte zu schauen, die uns heutzutage vordergründig als Kitsch und epochale Ausdrucksformen erscheinen. Hierauf stehen zu bleiben wäre für mich dann mindestens genauso oberflächlich.
Mut zu einer alt-katholischen Marienverehrung - so alt-katholisch i.S. von "nicht oberflächlich", wie wir es auch in anderen theologischen Fragen für uns beanspruchen. |
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tmansor
Anmeldedatum: 01.02.2007 Beiträge: 54 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): Hockenheim
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Verfasst am: 28.02.2007, 01:40 Titel: Kopfsache |
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Hallo zusammen,
für mich persönlich sehe ich ebenso Probleme bei der Überlagerung des Glaubens an Jesus Christus durch die "marianische" Volksfrömmigkeit. Vielleicht ist, so blöd das klingt, Jesus - zur Rechten Gottes sitzend - spirituell zu weit weg, so dass Maria quasi als neue Mittlerin für die einfachen Menschen dient. Besonders durch Erscheinungen u.a. in Lourdes und später in Fatima hat Jesu Mutter diese neue Heiligenrolle bekommen. Man sollte diesen Glauben nicht einfach als naiv oder kindisch abtun, zumal wir eben diese Geschehnisse damals kaum erklären können. Wer sich damit mal näher befasst, wird einen groß angelegten Betrug oder eine Massenhalluzination kaum ernsthaft erwägen können.
Auch wenn das einem aufgeklärten Menschen gewiss quer läuft.
Größte Schwierigkeiten habe ich allerdings mit dem Begriff "Mutter Gottes"; er mag theologisch irgendwie berechtigt sein, ist menschlich, logisch und zeitlich absolut widersinnig und bringt Ursprung und Schöpfung durcheinander. Ich will gar nicht wissen, wie viele Christenmenschen an dieser vollkommen irrationalen Formulierung beinahe verzweifelt sind. Das können auch die "Amtlichen" mit ihren sprituellen Gebilden nicht ändern.
Hauptlinie: Marienfrömmigkeit muss man im Kontext der Marienerscheinungen diskutieren, egal ob man daran glaubt oder nicht.
Tarec |
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FJTigges Gast
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Verfasst am: 28.02.2007, 16:59 Titel: |
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Gode Pötter hat Folgendes geschrieben: | Ich bin noch nicht lang genug alt-katholisch, um dahinter gekommen zu sein, warum Maria in unserer Kirche eine dermassen zurücktretende Rolle spielt, wie sie bei der römischen Schwesterkirche im Vordergrund steht. |
Ich bin in dieser römischen Schwesterkirche, und kann vielleicht einiges zur Aufklärung beitragen.
Schon im Neuen Testament wird deutlich, daß Maria als Mutter Jesu nicht nur als geschichtliche Person eine Rolle spielt, sondern für den Glauben eine darüber hinausgehende Bedeutung hat. Von Lukas wird sie in den ersten beiden Kapiteln seines Evangeliums mit dichterischen Worten als eine von Gott begnadete Frau beschrieben, die durch Demut, Gehorsam und Vertrauen auf Gott Vorbild des Glaubens sein kann: "Ich will ganz für Gott dasein. Es soll so geschehen, wie du es gesagt hast", antwortete sie auf die Ankündigung des Engels, daß sie Jesus zur Welt bringen soll (Lukas,38 ). Sie behielt und bewegte in ihrem Herzen alles, was mit Jesus geschah, auch wenn sie es nicht ganz verstehen konnte (Lukas 2,19 und 51). Nach dem Tod Jesu, den sie wahrscheinlich miterlebt hat (Johannes 19,25f.), gehörte sie in Jerusalem zur ersten christlichen Gemeinde (Apostelgeschichte, 14; Urchristentum).
Von der Volksfrömmigkeit wurde Maria zunehmend als Gottesmutter und Vermittlerin bzw. Fürsprecherin bei Christus und Gott im Himmel verehrt und angerufen. Auf diese Weise bekam das einseitig männlich ausgeprägte Gottesbild eine Ergänzung durch eine weibliche Gestalt.
Die Reformatoren waren nicht grundsätzlich gegen die Verehrung Marias, lehnten aber ihre Anbetung und Anrufung als Vermittlerin ab, weil Jesus selbst schon den Menschen Gott nahe gebracht hat.
Als die römisch-katholische Kirche 1854 den Glauben an die Zeugung Marias ohne Erbsünde ("Unbefleckte Empfängnis ") und 1950 an die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel zum Dogma erklärte, vertiefte das den Gegensatz zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Aber viele katholische Theologen bemühen sich, diese Dogmen dahingehend zu erklären, daß sie die Bedeutung Jesu für den Glauben nicht schmälern, sondern verstärken sollen. Nicht nur katholische Christen sehen heute in Maria ein Symbol für die Grundhaltung des Glaubens und damit für die Kirche. Marienfeste, besondere Gebete ("Gegrüßet seiest du, Maria . . .") und Wallfahrten zu Orten, an denen es Marienerscheinungen oder von Maria bewirkte Wunder gegeben haben soll, und nicht zuletzt die zahlreichen künstlerischen und populären Darstellungen Marias als Statue und auf Bildern sind vielen Menschen eine anschauliche Ausgestaltung und Bekräftigung des christlichen Glaubens.
Ich nehme an, dass die a.k. Kirche hier eher dem evangelischen Standpunkt näher stehen. |
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Marco Zumtobel Gast
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Verfasst am: 01.04.2007, 07:43 Titel: |
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Mit der Volksfrömmelei habe ich so meine Probleme. Ich komme vom Dorf, wo es früher üblich war, daß vor allen Gottesdiensten die alten Frauen sich eher einfanden, um rauf und runter den Rosenkranz zu beten. Das kam mir immer sehr oberflächlich vor.
Ich bin deshalb nicht so für überzogene Marienverehrung. Auch das mit der jungfräulichen Mutterschaft Mariens sehe ich nicht in erster Linie als biologische Aussage, sondern als Versuch, das Geheimnis der Gott-Menschheit Christi auszudrücken. Die nüchterne Haltung der Alt-Katholiken zu Maria ermöglicht eine theologisch ausgewogenere Sichtweise. Das gefällt mir besser.
Gruß!
Marco |
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Melanie47623 Gast
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Verfasst am: 11.04.2007, 06:42 Titel: Marienverehrung |
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Liebe Mitbrüder und -schwestern,
ich verstehe die Diskussion nur teilweise, dass mag wohl daran liegen, dass ich auch römisch vorgeprägt bin, und dazu noch aus einem der Orte komme, in dem die Marienverehrung auf die Spitze getrieben wird: Kevelaer.
In meiner ganz persönlichen Beziehung zu Gott hat für Maria für mich einen ganz hohen Stellenwert. Das hängt tatsächlich mit dem Rollenverständnis Frau-Mann zusammen. Traditionell wird Jesus eben als männliche Person verstanden (Begründung bei anderen Konfessionen dafür, keine Frauen zum Priesteramt zuzulassen). Erst in den letzten Jahrzehnten wird über die weibliche Seite Gottes diskutiert. Maria aber ist ganz eindeutig Frau.
Wie im "echten" Leben, können Frauen untereinander, aber auch Männer mit Frauen, ganz anders kommunizieren. Es ist ja auch Fakt, dass Frauen, wenn sie verkündigen, das Thema anders herüberbringen, als Männer das tun. Von daher ist Maria für uns Christen - neben ihrer großen Berufung in der Nachfolge ihres Sohnes in der Verbreitung des Glaubens, zusammen mit Marianna Mara von Magdala - eine wichtige Persönlichkeit, die zwischen uns, Gott, Jesus und dem Hl. Geist vermittelt, vor allem uns durch ihr vorbildliches Leben den Glauben vermittelt.
Was kann daran falsch sein?
Marienverehrung ist unter diesem Gesichtspunkt ein positiver Ausdruck unseres Glaubens, und dazu gehört auch Volksfrömmigkeit. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Christen, sondern auch für unsere Brüder und Schwestern, die im Koran mit uns in Gott verbunden sind. Auch sie verehren die Mutter des Propheten Jesu mit hoher Achtung. Maria ist die einzige Frau, der ein Kapitel (Sure) des Korans gewidmet ist.
Die praktizierte kommerzielle Form hat damit gar nichts zu tun. In Kevelaer findet jedes Jahr eine vielbeachtete Motorradwallfahrt statt. Der kommerzielle Zauber ist wie immer rund um den Kapellenplatz angesiedelt. Die Kapelle der Motorradwallfahrer ist aber gar nicht die berühmte Gnadenkapelle im Stadtzentrum, sondern eine kleine Kapelle gegenüber dem Krankenhaus "Maria in der Not".
Das sind die Dinge, die wir als kritische Kirche gegenüber den kommerziellen Wallfahrten unterscheiden müssen, und nicht die Menschen kritisieren, die ihrer Tradition, aus ihrem eigenen Lebensgefühl heraus, den Rosenkranz beten.
Und es gibt so viele kleine, vergessene Orte der Marienverehrung, zu denen es sich lohnt, eine Wallfahrt, sei sie organisiert oder persönlich, zu machen. Allein hier am Niederrhein, in unmittelbarer Umgebung gibt es vier-fünf Orte, denen im Verlauf der letzten zweihundert Jahre durch die Kommerzialisierung der Kevelaerer Wallfahrt das "Wasser abgegraben" hat. Wer daran Interesse hat, diese Orte neu zu entdecken, den kann ich gerne durch den Niederrhein führen ... |
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Gode Pötter Administrator

Anmeldedatum: 15.10.2006 Beiträge: 317 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 45663 Recklinghausen
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Verfasst am: 11.04.2007, 15:20 Titel: |
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Zitat: | Was kann daran falsch sein? |
"Falsch" sicherlich gar nichts. Sondern einfach nur anders! Jeder Mensch entwickelt im Glauben seine eigene Beziehung und Sichtweise, und die soll hier zum Ausdruck gebracht werden dürfen. Es ist ein besonderes Merkmal dieses Forums, dass Glaubensfragen nicht bewertet werden sollen.
Und gerade dieser Thread hat tatsächlich solch unterschiedliche Aspekte in der Betrachtungsweise aufgeworfen, was ich so gar nicht vermutet hätte. Daran kann man sehen, wie wichtig die Offenheit gerade bei Glaubensgesprächen ist. |
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FJTigges Gast
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Verfasst am: 11.04.2007, 20:20 Titel: |
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Zitat: | Wie im "echten" Leben, können Frauen untereinander, aber auch Männer mit Frauen, ganz anders kommunizieren. Es ist ja auch Fakt, dass Frauen, wenn sie verkündigen, das Thema anders herüberbringen, als Männer das tun. Von daher ist Maria für uns Christen - neben ihrer großen Berufung in der Nachfolge ihres Sohnes in der Verbreitung des Glaubens, zusammen mit Marianna Mara von Magdala - eine wichtige Persönlichkeit, die zwischen uns, Gott, Jesus und dem Hl. Geist vermittelt, vor allem uns durch ihr vorbildliches Leben den Glauben vermittelt. |
Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Mit Maria, wie ich schon geschrieben hatte, bekam das einseitig männlich ausgeprägte Gottesbild eine Ergänzung durch eine weibliche Gestalt. Ich glaube auch, daß Maria als Mutter Jesu nicht nur als geschichtliche Person eine Rolle spielt, sondern für den Glauben eine darüber hinausgehende Bedeutung hat.
Zitat: | Marienfrömmigkeit muss man im Kontext der Marienerscheinungen diskutieren, egal ob man daran glaubt oder nicht. |
Damit habe ich, zugegebenermaßen, so meine persönlichen Schwierigkeiten. Aber das ist es ja, was Gode meint. Glaubensfragen sind eben nicht beweisfähig. |
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Gode Pötter Administrator

Anmeldedatum: 15.10.2006 Beiträge: 317 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 45663 Recklinghausen
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Verfasst am: 07.01.2008, 23:51 Titel: Test |
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Unbefleckte Empfängnis?
von Klaus Rohmann
Quelle: "Christen heute" 12/2007
Am 8. Dezember, dem Fest Mariä Empfängnis, 1854 verkündete und definierte Papst Pius IX. in einer „dogmatischen Bulle“: „Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erretters des Menschengeschlechtes, von jedem Makel der Ursünde unversehrt bewahrt wurde, ist von Gott geoffenbart und darum von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben.“ Mit dieser Definition hat der Papst in der Praxis vorweggenommen, was das 1. Vatikanische Konzil sechzehn Jahre später unter seinem Pontifikat verkündete: die Unfehlbarkeit des Papstes in einer höchsten Entscheidung in Glaubensfragen. Mit dem Dogma ist inhaltlich die Freiheit Marias von der Erbschuld vom Augenblick ihrer Empfängnis gemeint, nicht aber die Jungfrauengeburt Jesu, wie man fälschlicherweise auch heute manchmal noch hören oder lesen kann.
Der Verkündigung des Dogmas ist selbstverständlich eine Vorgeschichte vorausgegangen. Pius IX. war ein glühender Marienverehrer und trug sich von Beginn seines Pontifikates mit dem Gedanken einer Definierung der Unbefleckten Empfängnis (lateinisch: immaculata conceptio). Von 1848 an setzte er nacheinander mehrere Gremien von Theologen ein. Vielfach wurden grundsätzliche Bedenken geäußert oder zumindest befürchtet, es könne nicht angebracht sein, eine solche Definition zur damaligen Zeit vorzunehmen. Auf eine Befragung der Bischöfe reagierten diejenigen, die geantwortet haben, zumeist mit Zustimmung.
Ein Fest vor dem Dogma
Die Vorgeschichte reicht aber weiter als bis zu den Anfängen der Vorbereitungszeit. Schließlich gab es das Fest schon zum Zeitpunkt der Dogmatisierung. Die Anfänge des Festes „Mariä Empfängnis“, das zunächst nur regional begangen wurde, so in England und in der Normandie, reichen wohl bis ins siebte Jahrhundert zurück. Zunächst hatte man schlicht und einfach ein Fest eingeführt, das in einer natürlichen Entsprechung von neun Monaten zum Fest Mariä Geburt am 8. September stand. Der Begriff der Immaculata, der Unbefleckten, war auch schon geläufig, allerdings in einem anderen Zusammenhang und gleichbedeutend mit Jungfrau.
Im Hochmittelalter mussten sich bereits die großen Theologen mit der Frage der Freiheit Mariens von der Erbschuld im Augenblick ihrer Empfängnis auseinandersetzen. Sie stellten sich durchweg gegen diese Meinung. Das wichtigste Argument, das Thomas von Aquin dagegen anführte, war, dass ausnahmslos alle Menschen der Erlösung bedurften und bedürfen und das universale Erlösungswerk Christi durch die Anschauung von der Erbsündfreiheit bei der Empfängnis Mariens in Frage gestellt würde. Diese Argumentation ist von bleibender Gültigkeit.
Zoff unter Ordensleuten
Die Situation änderte sich im Spätmittelalter, das teilweise von einer großen Marienfrömmigkeit geprägt war und nicht genug an Marienfesten hatte. Es wurden neue Feste gefunden und erfunden; man feierte beispielsweise sogar die Verlobung Mariens. Es entstand ein großer Streit zwischen zwei theologischen Schulen über die unbefleckte Empfängnis Mariens. Die Schulen waren identisch mit zwei großen Ordensfamilien. Waren im christlichen Altertum die Bischöfe vorrangig die Träger der theologischen Arbeit, so übernahmen im Mittelalter die Orden, vornehmlich die Bettelorden, diese Rolle. Es stritten sich nun um die Immaculata in heftiger Auseinandersetzung und mit persönlichen Beschuldigungen die Dominikaner und Franziskaner. Teilten die Dominikaner die Argumentation ihres Ordensbruders Thomas von Aquin, so nahmen die Franziskaner im Spätmittelalter Partei für die Immaculata-Lehre und für die Immaculata-Liturgie. Dabei hatten sie freilich keine unmittelbaren Belege aus der Heiligen Schrift zur Hand, sondern mussten sich mit Angemessenheitsgründen begnügen. Man verwies beispielsweise darauf, dass Gott dem Propheten Jeremia gesagt hatte: „ Noch bevor ich dich im Leib deiner Mutter entstehen ließ, hatte ich schon meinen Plan mit dir.“ (Jer. 1,5) Wenn Gott also den Propheten schon vor seiner Entstehung geheiligt hatte – so schloss man –, um wieviel angemessener ist es, wenn er die Mutter des Erlösers vor jedem Makel der Erbschuld bewahrte! Es liegt auf der Hand, dass man mit solcherart „Beweisen“ die Diskussion nicht eindeutig für sich entscheiden konnte. Wer aber sollte schlichten? Wer entscheiden? Rom zeigte sich noch desinteressiert; wurde doch das Fest der Unbefleckten Empfängnis dort bis ins 15. Jahrhundert nicht begangen. Darum suchten die Franziskaner die Unterstützung eines Konzils.
Basel: das „abgebrochene“ Konzil und eine erste
Definition der Unbefleckten Empfängnis
Hatte das Konzil von Konstanz (1414-1418) ein derart umfangreiches Programm, dass keine Zeit verblieb, sich mit mariologischen Fragen auseinanderzusetzen, so wurde die Frage der Unbefleckten Empfängnis vom Basler Konzil (1431-1449) auf die Tagesordnung gesetzt. Nach langen Erörterungen erklärte das Konzil 1439, dass Maria niemals wirklich der Ursünde unterworfen gewesen sei und ihr Freisein vom Makel der Erbsünde und von persönlicher Schuld dem Kult der Kirche, dem Glaubenssinn, der richtig folgernden Vernunft und der Schrift entspreche. Der Schriftbezug wird bezeichnenderweise an letzter Stelle genannt. Außer dem Dekret bestätigte das Konzil die Festfeier am 8. Dezember, machte sie den streitenden Ordensgemeinschaften zur Pflicht und versah sie zu ihrer Förderung für alle Gläubigen mit Ablässen.
In der Zwischenzeit waren jedoch Ereignisse eingetreten, die das Konzil von Basel zum Zeitpunkt der Verkündigung dieses Dogmas als „schismatisch“ einstufen ließen. Von Anfang an war Papst Eugen IV. kein Freund dieses Konzils. Nachdem er mehrere vergebliche Versuche unternommen hatte, das Konzil territorial in sein unmittelbares Einflussgebiet zu holen, gelang es ihm schließlich1437, das Konzil nach Ferrara zu verlegen und etliche Konzilsväter dorthin zu bewegen. Die Mehrheit der Bischöfe, Priester und Doktoren der Theologie konnte das Konzil zunächst noch in Basel weiterführen, erachtete man doch das Konzil als über dem Papst stehend. Als die verbleibenden Basler Konzilsväter bereits vor der Verkündigung des Dogmas vom Papst exkommuniziert wurden, beantworteten sie die Exkommunikation kurzerhand mit der Absetzung des Papstes und der Wahl eines Gegenpapstes. Allmählich verlor das Konzil von Basel auch die politische Unterstützung der deutschen Reichsfürsten und musste schließlich aufgegeben werden.
Wegen fehlender Anerkennung wurden auch bedeutende Reformvorhaben des Konzils gegenstandslos. Beispielsweise hatte man das Verhältnis von Bischof und Synode und die Aufhebung des Zölibats diskutiert. Einerseits war dieses Konzil noch dem Mittelalter verhaftet, andererseits hatte es sich mit kirchlichen Reformen beschäftigt, die sich bei einem ungestörten Verlauf des Konzils durchgesetzt und die Reformation vielleicht überflüssig gemacht hätten.
Da es allgemein keine Durchsetzungskraft mehr besaß, konnte das Konzil auch den heftigen Streit zwischen den beiden Ordensfamilien nicht beilegen. In die Auseinandersetzung griff einige Jahrzehnte später Sixtus IV. ein. Obgleich er – ein Papst aus dem Franziskanerorden – sicher den Standpunkt der Anhänger der Unbeflecktheits-Lehre teilte, bedrohte er beide Parteien mit der Exkommunikation, falls sie sich gegenseitig der Ketzerei beschuldigten und die Gegner der schweren Sünde bezichtigten, wenn diese das Fest der Immaculata feierten. Mehr als ein Stillhalten der Kontrahenten konnte er aber nicht erreichen. Auf die „ungültigen“ Beschlüsse des Basler Konzils konnte er nicht zurückgreifen. Außerdem begriff er wohl auch das Gewicht der Gegengründe gegen die Immaculata-Lehre. Bei diesem Stand der Dinge blieb es im Wesentlichen bis zur Glaubensdefinition Pius‘ IX.
Und der Standpunkt der alt-katholischen Kirchen?
Welche Haltung zur Immaculata-Lehre nehmen die anderen Kirchen und nimmt die alt-katholische Kirche ein? Dazu gibt es eine Erklärung auf der I. Unionskonferenz von 1874 zu Bonn, deren Vorbereitung u.a. durch Döllinger bereits vor dem Ersten Vaticanum begonnen hatte: „Wir verwerfen die neue römische Lehre von der unbefleckten Empfängnis der hl. Jungfrau Maria als in Widerspruch stehend mit der Tradition der ersten 13 Jahrhunderte, nach welcher Christus allein ohne Sünde empfangen ist.“
Heute kann man gelegentlich Stimmen hören, die besagen, wir müssten als Alt-Katholiken im ökumenischen Interesse die Geltung der Mariendogmen der römisch-katholischen Kirche neu bedenken. Kann dies erfolgreich geschehen? Es hat sich mittlerweile gezeigt, dass die römisch-katholische Theologie selbst aufgrund der neueren Entwicklung erhebliche Denkschwierigkeiten mit der Immaculata-Lehre bekommen hat.
Nach einer notwendigen Re-vision der Erbsündenlehre
Eine gedankliche Voraussetzung des neuen Dogmas ist die augustinische Erbsündenlehre, nach der die Ursünde durch den geschlechtlichen Akt der Eltern auf das Kind übertragen wird, so wie mit der Zeugung körperliche und charakterliche Merkmale vererbt werden. Ein besonderes Gewicht liegt auf dem Geschlechtlichen, wie es denn auch im Begriff der „Befleckung“ zum Ausdruck kommt: Das Fleisch werde durch den Geschlechtsakt der Eltern infiziert.
Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben Erkenntnisse der historisch-kritischen Exegese und die Berücksichtigung der Evolutionsforschung zu einem Überdenken der kirchlichen Lehre und ihres Aussagegehaltes geführt. Es wurde klar, dass die biblische Urgeschichte vom Garten Eden keineswegs Vorgänge am historischen Beginn der Menschheitsgeschichte beschreiben will, sondern – im Bild eines zeitlich strukturierten Geschehens – die Lage der Menschheit zu allen Zeiten: Das „verlorene Paradies“ ist seit jeher und immer schon verlorenes Paradies.
Was kann dann der Begriff der Erbsünde meinen? Gewiss nicht, dass die Last einer zeitlich verstandenen „Ursünde“ von allen zu tragen wäre. Damit ist vielmehr die Verwurzelung aller in einer unheilvollen Gesamtwirklichkeit bezeichnet, die der Entscheidung Einzelner zum Bösen, der personalen sündigen Tat, vorgegeben ist. Der Gemeinschaftsbezug der Erbsünde wird auf diese Weise in den Blick genommen. Der Mensch ist ein notwendig aus und in Beziehung lebendes Wesen, das im Werden und Sein auf seine Mitmenschen angewiesen ist. Ein jeder wird in eine „Situation“ hineingeboren, die bereits von anderen durch sündiges Verhalten geprägt ist und notwendigerweise das eigene Verhalten beeinflusst. Damit ist eine Einbindung jedes Einzelnen in die Unheilswirklichkeit des Geschlechterzusammenhangs jenseits des Biologischen denkbar.
Insbesondere lateinamerikanische Theologen sprechen die gesellschaftliche Wirklichkeit der aus vielen personalen Sünden stammenden, in den wirtschaftlichen und politischen Strukturen dann verfestigten Unrechtssituationen an, die sie „strukturelle Sünde“ nennen. Wer die Macht hat und gesellschaftliche Strukturen schafft, die einem selber Vorteile schaffen und andere benachteiligen oder gar eine Masse von Armen bewirken, sündigt nicht nur persönlich, er schafft auch eine Unrechtssituation, in die seine Nachkommen hineingeboren werden und der sie sich ohne weiteres nicht entziehen können. Vielmehr werden sie als Nutznießer unwillkürlich schuldig.
Persönliche Sünden wirken auf diese Weise nach, auch wenn der Sünder selber Vergebung erfahren hat. Wenn die Kirche bekennt, dass mit der Taufe die Befreiung von der Erbsünde erfolgt, dann behauptet sie nicht, dass die leidvollen Folgen der sündigen Taten anderer den Getauften nicht auch weiterhin treffen. Sie bekennt aber, das er in eine neue Beziehung zu Christus gestellt ist, in der neues, heilvolles Leben möglich ist, das heilvolle Folgen für alle zeitigt und dem der gute Ausgang verheißen ist.
In diesen Denkzusammenhang passt die Anschauung von der „Unbefleckten Empfängnis“ schwerlich hinein (einmal davon abgesehen, dass diese Bezeichnung nicht mehr stimmt). Muss die Behauptung einer Freiheit von der „Erbsünde“ Maria nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Menschheit herausnehmen? Kann jemand ohne Beziehung zu anderen und zu deren sündigen Taten noch Mensch genannt werden?
Klaus Rohmann |
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