Ulrich Schürrer

Anmeldedatum: 01.11.2006 Beiträge: 33 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): Ostfildern
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Verfasst am: 14.03.2007, 07:34 Titel: Aktion "Essen und Wärme" (Offenbach) |
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Helfer mit einem Herz für Einsame und Hungrige
Dank an Ehrenamtliche der Aktion "Essen und Wärme"
Offenbach (lis) -Engagement ist für sie so selbstverständlich, dass sie die Frage nach persönlichen Gründen und Motiven erstaunt. "Ich will anderen helfen, und damit auch mir selbst", sagt Wilma Meier. Die 78-Jährige ist eine der freiwilligen Helfer der Ökumenischen Initiative Soziale Not in Offenbach, deren 14. Aktion "Essen und Wärme" nun in der alt-katholischen Gemeinde an der Bismarckstraße zu Ende ging.
Seit im November 1993 die von Günter Krämer, Pfarrer der Französisch-reformierten Kirche, mitinitiierte Aktion startete, ist Wilma Meier jedes Jahr dabei. Damals saß sie noch in einem "tiefschwarzen seelischen Loch", in das sie Jahre zuvor durch Schicksalsschläge gefallen war. Innerhalb von vier Monaten waren nacheinander Mutter, Schwiegervater und Ehemann verstorben. "Vielleicht hätte ich irgendwann zu Alkohol und Tabletten gegriffen", vermutet sie. Dann habe ihr der Pfarrer einen Satz gesagt, den sie bis heute nicht vergessen habe: "Indem Sie anderen helfen, helfen Sie sich selbst."
Ähnlich empfinden das viele der knapp 70 Frauen und Männer, die in den vergangenen 18 Wochen insgesamt 5 120 Stunden ehrenamtlich arbeiteten. Zwischen 70 und 100 Gästen gaben sie täglich Essen und Wärme. An 128 Tagen, auch an Sonn- und Feiertagen, an Heiligabend wie an Sylvester und Neujahr tischten sie in neun Kirchengemeinden der Stadt 10 500 Mahlzeiten auf.
Die Gründe und Motive scheinen so unterschiedlich wie die persönlichen Anlässe, die sie zu freiwilliger und ehrenamtlicher Hilfe bei der Aktion "Essen und Wärme" führte. Doch alle haben ein gemeinsames Ziel: Bedürftigen das zu geben, was sie am dringendsten brauchen und vermissen: Neben einer täglichen Mahlzeit die spürbare Wertschätzung und Akzeptanz als anerkannte Mitglieder der Gesellschaft.
"Es geht weniger darum, Menschen während des Winters einige Stunden Aufenthalt im geheizten Raum zu ermöglichen, als ihnen Herzenswärme entgegenzubringen", betont der gelernte Diplom-Ingenieur Horst Schick, der seit 1994 nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes an der Aktion teilnimmt. "Ich wollte eine sinngebende Arbeit, die mich erfüllt." Anfangs hatte er schlaflose Nächte, berichtet der 72-Jährige. "Soviel Armut, Not, Bedrängnis und Behinderung verfolgten mich bis in die Träume." Franz-Josef Koch, Vorstandsmitglied der alt-katholischen Kirchengemeinde und Sprecher der Aktion, fühlt sich hilflos, "wenn ich einen Hartz IV Empfänger sehe, dem mangels Geld Zähne fehlen und der keine Beihilfe zu einer dringend notwendigen Brille erhält." Barmherzigkeit sei gefordert. "Doch wir, die Gesellschaft, ist dabei, Leute zu Almosenempfängern zu machen, die früher einen gesetzlichen Anspruch auf soziale Gerechtigkeit hatten."
Bei "Essen und Wärme" komme es darauf an, "dass nicht nur der Magen, sondern auch die Seele satt wird", betont Frank Richter, seit August Pfarrer der alt-katholischen Gemeinde. In vielen Gesprächen habe er von einer enormen Einsamkeit vieler materiell und sozial am Rand der Gesellschaft stehender Menschen erfahren. "Durchschnittlich sechs Personen täglich klopfen hier an die Pforte und bitten um Essen", berichtet Pfarrer Richter. Seit einiger Zeit komme eine Frau, die stets nur zwei Worte sage: "Bitte Essen!" Das schreie sie ihm förmlich entgegen vor lauter Verzweiflung. "Die Kirche scheint für sie die einzige Adresse für den Erhalt einer Konserve für sie selbst und vielleicht auch für ihre Kinder zu sein."
Zweifellos müsse man mit Aktionen wie "Essen und Wärme" ein "Pflaster auf Wunden legen", meint Richter. "Denn hier findet Gesellschaft statt." Doch fiele es ihm schwer, wenn Kirchen nur das machten. "Ich habe den Eindruck, dass gesellschaftliche Desintegration inzwischen als Normalfall empfunden wird, trotz derzeit außerordentlich hoher Privatvermögen. Das ist ein Skandal. Wenn sich Politiker das leisten können, ich als Pfarrer will mir das nicht leisten."
(Offenbach-Post)
Regional-News >>> Offenbach (Stadt) >>> Artikeltext:
http://www.op-online.de/regionalnews/index_255_31333633373734.htm
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