André Golob

Anmeldedatum: 21.10.2006 Beiträge: 129 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop
|
Verfasst am: 21.10.2006, 17:30 Titel: Lk 24, 35-48 Erwartung an den Tod |
|
|
07.05.06 Predigt zu Lukas 24,35-48
Eucharistiefeier am
4. Sonntag in der Osterzeit im Lesejahr B
Alt-kath. Gemeinde Düsseldorf, 7.5.2006, 10.30 Uhr
Klarenbachkapelle
Leitung und Predigt: Vikar Dr. André Golob
___________________________________________________________________
Lk 24, 35-48 Erwartung an den Tod
Ich möchte meiner Predigt ein Gedicht voranstellen. Es heißt „Ein Leben nach dem Tode“. Marie-Luise Kaschnitz hat es geschrieben. Ihr werdet vielleicht nicht alle Einzelheiten auf Anhieb verstehen. Aber ich denke, die Grundaussage kann man beim Hören gut mitkriegen und auf einige Abschnitte werde ich gleich noch eingehen.
Glauben Sie fragte man mich
An ein Leben nach dem Tode
Und ich antwortete: ja
Aber dann wußte ich
Keine Auskunft zu geben
Wie das aussehen sollte
Wie ich selber
Dort
Ich wußte nur eines
Keine Hierarchie
Von Heiligen auf goldenen
Stühlen sitzend
Kein Niedersturz
Verdammter Seelen
Nur
Nur Liebe frei gewordene
Niemals aufgezehrte
Mich überflutend
Kein Schutzmantel starr aus Gold
Mit Edelsteinen besetzt
Ein spinnenwebenleichtes Gewand
Ein Hauch
Mir um die Schultern
Liebkosung schöne Bewegung
Wie einst von Tyrrhenischen Wellen
Wie von Worten die hin und her
Wortfetzen
Komm du komm
Schmerzweh mit Tränen besetzt
Berg- und Tal-Fahrt
Und deine Hand
Wieder in meiner
So lagen wir lasest du vor
Schlief ich ein
Wachte auf
Schlief ein
Wache auf
Deine Stimme empfängt mich
Entläßt mich und immer
So fort
Mehr also, fragen die Frager
Erwarten sie nicht nach dem Tode?
Und ich antwortete
Weniger nicht
Glaubt ihr an ein Leben nach dem Tode? Das solltet ihr eigentlich, sonst würdet ihr hier nicht sitzen. Und auch Marie Luise Kaschnitz bekennt: Ja, ich glaube daran, aber sofort kommt ihr die skeptische Frage entgegen: Wie soll das denn aussehen – dort? Wie in aller Welt stellt man sich das vor? Die Vorstellung aus Kindertagen und auch jene, die uns manche Theologen weismachen wollen, erweisen sich als unzureichend.
Keine Hierarchie
Von Heiligen auf goldenen Stühlen sitzend
Kein Niedersturz
Verdammter Seelen
Kein Schutzmantel starr aus Gold
Mit Edelsteinen besetzt.
Helfen all diese überkommenen Bilder noch? Sind sie nicht Gerede, als wenn Blinde von der Farbe sprechen? Dann aber kommen der Schriftstellerin andere Bilder in den Sinn. Erinnerungen an Urlaubstage mit ihrem verstorbenen Mann. Das Glück gemeinsamer Tage in Italien, am tyrrhenischen Meer, das Spiel der Wellen, die beglückende Erfahrung eins zu sein, das Gespräch miteinander, die gemeinsame Lektüre, das wortlose Einverständnis. Beim Erwachen die Gewißheit: Der andere ist da.
So lagen wir lasest du vor
Schlief ich ein
Wachte auf
Schlief ein
Wache auf
Deine Stimme empfängt mich
Entläßt mich und immer
So fort.
Und dann die Gewißheit, das Vertrauen. All diese schönen Dinge, das Geborgensein, die Liebe geben mir eine Ahnung des Himmels. Das Erwarte ich dort: Behütetsein, Zärtlichkeit, Zusammensein.
Hier kommt die Hoffnung und die Sehnsucht der Autorin zum Ausdruck, daß unsere irdische Liebe in der Welt Gottes fortbestehen darf. Ein Hoffen, das sehr eng verbunden ist mit unseren irdischen Erfahrungen. Daran hält sie mit Entschiedenheit fest und knüpft damit eine Band zwischen dem Hier und Jetzt und dem Einst.
An dieser Stelle beginnen wir etwas von der Wahrheit des heutigen Evangeliums zu ahnen. Es ist ja die massivste Erscheinungsgeschichte des Auferstandene im Neuen Testament, die wie überhaupt kennen. „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Faßt mich doch an, und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben. Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; er nahm es und aß es vor ihren Augen“ (Lk 24,39-42)
Schon damals haben die Christen sich mit den Einwänden ihrer Umgebung auseinandersetzen müssen. Sogar die aktuelle Ausgabe der Illustrierten Stern berichtet davon. „Lügen, Blut und Weihrauch - Auferstanden von den Toten?“ so die Überschrift. Das mit der Auferstehung, das habt ihr euch nur eingebildet. Das sind alles Hirngespinste. Diese Erzählung des Lukas sind eindeutige Reaktionen auf solche Einwände. Der Auferstehungsglaube hat sich von Anfang an gegen solche Infragestellungen zur Wehr setzen müssen.
Das besondere aber bei Lukas ist, daß er an der „Leiblichkeit“ der Auferstehung festhält, Christus stellt er so reale dort, daß er quasi in ein Fischstäbchen beißen kann. Ein wenig wiederspricht das der Gesamtkonzeption des Neuen Testamentes. Der gekreuzigte Jesus ist in die ganz andere, uns nicht mehr direkt zugängliche, mit menschlichen Worten unbeschreibbare Welt Gottes gegangen. Er lebt seit seiner Auferstehung im Himmel, im Bereich Gottes, in einer Welt, über die wir nur noch in Bildern und Symbolen sprechen können. Und doch hält Lukas daran fest. Die Auferstehung Jesu hat seine irdische Geschichte nicht einfach ausgelöscht. Der Auferstandene trägt die Male seiner Folterung. Das Leben des Auferstandenen ist ein ganz anderes Leben - ein Leben in Gottes Welt und doch ist seine irdische Geschichte zugleich in diese Welt Gottes „eingeborgen“, so bezeichnet es der Theologe Ortkemper.
Unser Text steht unmittelbar hinter der Erzählung von den Emmausjüngern. Auch dort wird deutlich: Der Auferstandene geht neben ihnen her, doch sie erkennen ihn nicht. Erst, als er das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf. Und Jesus entschwindet ihren Blicken. Sie kommen nach Jerusalem zurück, in den Kreis ihrer Freunde. Sie erzählen ihnen von ihren Erfahrungen in Emmaus. Und plötzlich, völlig unvermittelt, steht Jesus in ihrer Mitte. AlIe erschrecken und glauben ein Gespenst zu sehen. Und dann heißt es im Text: „Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben“ (V41). Die Begegnung mit dem Auferstandenen ist so unerwartet, ist Begegnung mit der ganz anderen Welt Gottes, daß solche widersprüchlichen Reaktionen der Jünger völlig selbstverständlich sind. Lukas erzählt hier eine Geschichte, die hart am Rande dessen liegt, was man mit menschlichen Worten überhaupt noch sagen kann.
Aber eines bleibt gültig. Lukas will sagen: Die Auferstehung Jesu ist Realität, nicht Einbildung, die Jünger haben ihn wirklich als den Lebendigen erfahren. Und: Die Auferstehung hat eine leibliche Komponente. Wenn mich jemand fragt: Glauben Sie daran, daß es ein Wiedersehen mit unseren Freunden und unseren Lieben nach dem Tode gibt, glauben sie daran, daß sie einst Wolfgang Kestermann wiedertreffen werden , dann sage ich aus ehrlicher Überzeugung: ja, ich glaube daran. Allerdings ist es ein Wiedersehen nicht mit unseren jetzigen leiblichen Augen. Es ist eine Wiederbegegnung mit ihnen in der Welt Gottes. Aber daran halte ich fest, daran glaube ich, so wie es auch Marie-Luise Kaschnitz in ihrem Gedicht andeutet.
Allerdings: Der Einwand, der hinter dem Evangelium steht, ist auch heute heftig und macht uns manchmal ganz schön zu schaffen, bringt uns in Bedrängnis: ist das nicht doch bloß Wunschdenken? Ist das nicht doch bloß eine Illusion, die wir uns selber schaffen um überhaupt mit dem Los der Sterblichkeit klar zu kommen. Dieser Einwand begegnet uns immer wieder. Und wir müssen ihn ernst nehmen. Und doch kommt dieser Einwand manchmal recht platt daher, wie nachgeplappert, mitunter sogar kindisch, weil erfahrungsarm. Ich habe mich, seit ich denke kann, damit auseinandergesetzt – vielleicht ein Grund warum ich Theologie studiert habe. Ich persönlich kann mit nicht vorstellen, daß die Welt in der wir leben, dieser unvorstellbare riesige Kosmos, nur ein Zufallsprodukt sein soll. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das alles sich selbst genügt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die tiefe Sehnsucht der Menschen nach etwas, was bleibt, nur eine Narretei ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Ahnung aller Religionen von etwas Göttlichem nur eine Illusion sein soll.
Ich halte daran fest, was Lukas in unserem heutigen Evangelium meint und was seitdem Generationen von Menschen Halt gegeben hat: Du wirst im Tod auferstehen. Sei ohne Angst. Nicht einmal im Tod wirst du aus der Gemeinschaft mit Gott herausfallen. Auch nicht aus der Gemeinschaft der Menschen, die du liebst. Du wirst sie bei Gott wiederfinden.
Mehr also, fragen die Frager
Erwarten sie nicht nach dem Tode?
Und ich antworte
Weniger nicht.
(C) 2005 - Alle Rechte vorbehalten |
|