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Mk 10, 46-52: Verantwortung für das eigene Leben übernehmen

 
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RKnudsen



Anmeldedatum: 31.10.2006
Beiträge: 3
Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): Nordstrand

BeitragVerfasst am: 31.10.2006, 22:03    Titel: Mk 10, 46-52: Verantwortung für das eigene Leben übernehmen Antworten mit Zitat

Sonntag, 29.10.2006
Theresien-Dom Nordstrand
Predigt von Reiner Knudsen

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Eine Heilungsgeschichte, eine von jenen Erzählungen aus dem Neuen Testament, die wir – hoffentlich - mit einem gewissen Staunen, aber auch einer gewissen Portion Zweifel aufnehmen. „Klingt gut, aber ob das auch alles wirklich so war?“

Wir haben in vielen anderen Predigten gehört, dass es möglicherweise klarer ist, vielleicht einfacher, sich einem solchen Text zu nähern, wenn man sich bei den Behinderungen der Geheilten nicht notwendigerweise an körperliche Defekte klammert. Wenn wir das in diesem Fall versuchen, dann sehen wir da den Bartimäus, einen Bettler, der auf der Straße sein Dasein fristet, kein ruhiger warmer Platz zum Schlafen, kein Dach über dem Kopf, wenn es regnet, kein Besitz, der ständig genug abwirft, um täglich ausreichend zu essen zu bekommen – der Blinde sitzt den ganzen Tag auf der Straße und bekommt doch von dem Leben um ihn herum nichts mit.

Aber Bartimäus ist im Grunde noch viel ärmer, hat er doch nicht einmal einen eigenen Namen: „Bartimäus“, wir hören das im Evangelium, bedeutet „Sohn des Timäus“ – Vaters Sohn, keine wirklich eigene Persönlichkeit, sondern nur Abbildung und Fortsetzung seines Erzeugers, vom ersten Tage an.

Und er sitzt da wie jeden Tag am Straßenrand und fristet sein Leben vermutlich in Verzweiflung, Resignation, Hoffnungs- und Ausweglosigkeit, in einem richtig tiefen Loch des Lebens, in das er irgendwann hinein gefallen ist (oder geworfen wurde) und das er seitdem nicht verlassen hat. Sein Bettler-Dasein macht es ihm nicht eben einfach, denn seine ganze Situation, sein gesellschaftliches Ansehen, die fehlenden sozialen Anbindungsmöglichkeiten nehmen ihm den Mut, die Lust am Leben.

Als diese Menschenmenge da auf ihn zukommt, hört er plötzlich den Namen Jesus von Nazareth, und was auch immer er zuvor über Jesus gehört haben mag, es setzt in ihm Kräfte frei, die ihn vielleicht selber überraschen und mit aller Kraft ruft er Jesus’ Namen und erfleht dessen Erbarmen. Er, der vielleicht den ganzen Tag stets schweigend vor sich hin gelebt hat, begehrt auf, schreit nach Jesus, ruft um Hilfe - vielleicht spürt er, dass es nur hier für ihn eine echte Hoffnung gibt, nur in diesem einen Moment, in dem Jesus an ihm vorbei geht. Und diese Hoffnung gibt ihm soviel Kraft, dass er es schafft, deutlich auf sich aufmerksam zu machen.

Und die Reaktion der Menschen? Ablehnend, verächtlich. Sie ärgern sich über den Bettler und befehlen ihm (!!!!) zu schweigen. Die, die sich in ihrer „sicheren“ Gruppe um ihren Mächtigen – so vermutlich sehen sie Jesus – geschart haben, wollen ihn und sich schützen, wollen nichts von außen heran lassen, was in diesem Moment stören könnte – und schon gar nicht einen lumpigen Bettler, der keinerlei gesellschaftliches Recht besitzt, der vermutlich in ihren Augen wieder nur Nutznießer sein will. Wie immer und jeden Tag wollen sie den auf der Straße lebenden verdrängen und entmutigen – vielleicht auch, weil sie ihn als „Bedrohung“ wahrnehmen.

Aber sie unterschätzen Bartimäus und seine aus seiner Verzweiflung geborenen Hoffnung gewaltig. „Einen Versuch war’s wert“, könnte der sich ja denken und schweigend in sein „Leben“ zurückkehren. Aber der denkt überhaupt nicht dran, nachzugeben und still zu sein – im Gegenteil: „Er aber schrie noch viel lauter“, heisst es da im Evangelium. Er hat allen Mut zusammen genommen, sich gegen die Gruppe zu stellen, gegen die Menschen, die ihn tagtäglich verachtet haben (und die sich jetzt gerade vermutlich noch mehr ärgern). Seine Hoffnung ist so groß, dass sie seinen Mut nährt.

Und ich denke, das spürt plötzlich auch Jesus. Vermutlich hätte er den armen namenlosen Kerl am Straßenrand gar nicht wahrgenommen, wenn er nicht so hartnäckig nach Hilfe gerufen hätte: „Hab Erbarmen mit mir!“ Natürlich weiss Jesus, wie der da vermutlich seinen Tag verbringt, was der in seinem Leben schon alles erlebt hat. Und dass der nicht in seinem Loch des Lebens bleiben, sondern diesem mit aller Kraft enkommen will – ich denke, das macht Jesus aufmerksam. Und er ruft ihn zu sich.

(Interessant und fast amüsant ist am Rande, wie jetzt, da Jesus ihn gerufen hat, alle plötzlich freundlich und nett den Bettler in ihre Mitte einladen, ja ihm den Mut explizit zusprechen, den sie ihm nur Sekunden vorher massiv zu nehmen versucht hatten. Sie, die nur „mitlaufen“ sehen im Moment gegen den sich mit allen Mitteln gegen sein Schicksal wehrenden ziemlich klein aus.)

Jetzt passieren zwei bemerkenswerte Dinge: Der Bettler wirft seinen Mantel ab, der ihn bis eben noch umgeben hat, lässt ihn zurück, als lege er damit das Leben ab, dass er bis dahin geführt hat.

Und dann spricht Jesus ihn direkt an und fragt ihn „Was soll ich Dir tun?“ Er fragt den, dem sonst niemand zuhört, den vermutlich sonst niemand etwas gefragt hat – schon gar nicht um seine Meinung, seine Wünsche. Bartimäus ist plötzlich konfrontiert damit, sagen zu können, was ihn ihm vorgeht, was er sich wünscht, aber auch damit, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

Der sagt: „Ich möchte sehen können“. Ich stehe in meinem Loch des Lebens, ich sehe nur die Wände, die mich umgeben, sehe die Eingegrenztheit meines Lebens, die Ärmlichkeit meiner Existenz – und ich möchte endlich wieder darüber hinaus schauen können. Ich möchte Visionen haben, möchte die Menschen sehen, möchte Wege sehen und das Leben.

Wie häufig scheint uns Jesus’ Antwort „Geh, Dein Glaube hat Dir geholfen“ irgendwie trivial – fast schon zu trivial, um dem Anliegen des Bartimäus tatsächlich zu begegnen. Aber was Jesus sagt ist: „Mit Deinem Glauben, es schaffen zu können, hast Du Deinen Mut zusammen genommen, aus Deinem Loch heraus zu kommen, um in mir Gott zu begegnen. Du hast ihm vertraut, dass er Dir hilft. Du hast Deinen Mantel weggeworfen, das Schicksal Deines Lebens in diesen einen Moment und in die Hände Gottes gelegt, und Du hast die Verantwortung für Dein Leben übernommen.“ Kurz: „Dein Glaube hat Dir geholfen.“

Es ist diese Konsequenz, die die Hoffnung aus diesem Evangelium spürbar macht. Den Mut zusammen nehmen, sich nicht von den ersten Widerständen entmutigen lassen, sondern mit aller Kraft zu schreien „Hab Erbarmen, hilf mir“ – und sich damit in die Hand Gottes zu begeben.
Eben weil er nicht in seinem Loch sitzen geblieben ist, sich klein gemacht und sich vom eigenen Zweifel ernährt hat, hat Bartimäus eine Chance bekommen, in die er seine ganze Hoffnung (sehr gut will ich meinen) investiert hat. Und Jesus hat ihn nicht enttäuscht. Aber er sagt ihm ganz klar: Nicht ich habe Dir geholfen, sondern Du selber hast Dich durch Deinen Glauben wieder sehend gemacht, hast Dich ins Leben zurück gebracht.

Wann haben wir heute wirklich noch den Mut zu schreien „Ich will wieder sehen?“ und damit Verantwortung für uns selbst konsequent zu übernehmen. Geht es uns nicht viel häufiger so, dass wir den „Einen Versuch war es wert“-Weg gehen? Hören wir diese Erzählung nicht – hoffentlich – mit ein wenig Staunen, weil es uns selber so unglaublich scheint, dass dieser Randbewohner der Gesellschaft so heftig aufbegehrt und am Ende auch noch sein Ziel erreicht?

Auch wenn sie zunächst wie eine „ganz normale“ Heilsgeschichte klingt, ist sie doch eine besondere. Habt ihr etwas Besonderes festgestellt? Etwas bemerkt? Wie hießen sie – die anderen Geheilten, deren Wege sich mit dem des Jesus Christus kreuzen? Wir wissen es nicht. Aber wir lernen Bartimäus beim Namen kennen - auch wenn ich am Anfang sagte, es sei kein wirklich "eigener" Name.

Aber noch etwas: Alle anderen Geheilten wurden von Jesus mit einem heilenden Wort verabschiedet, das klang nach „Ich habe Dich geheilt – nun geh“. Bei Bartimäus ist das anders: „Dein Glaube (Du!) hat Dir geholfen.“

Da bleibt am Ende die Frage: „Klingt gut, aber ob das wirklich so war?“ – Ich weiss es nicht, aber ich denke, dass es sich sehr gut so zugetragen haben könnte und hoffe, dass es sich bei euch und mir so zuträgt, wenn wir wie der Bettler das Gefühl haben, endlich wieder sehen zu wollen.
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