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Mk 1, 21-28 Apage Satanas !

 
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André Golob



Anmeldedatum: 21.10.2006
Beiträge: 129
Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop

BeitragVerfasst am: 21.10.2006, 17:23    Titel: Mk 1, 21-28 Apage Satanas ! Antworten mit Zitat

29.01.06 Predigt zu Markus 1,21-28
Eucharistiefeier
4. Sonntag nach Epiphanie im Lesejahr B
Alt-kath. Gemeinde Düsseldorf, 29.1.2006, 10.30 Uhr
Klarenbachkapelle, Düsseldorf-Reisholz
Leitung und Predigt: Vikar Dr. André Golob
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Mk 1, 21-28 Apage Satanas !



Uns wird im heutigen Evangelium von einer Szenerie berichtet, die uns sehr archaisch erscheint und uns möglicher Weise mit unseren Urängsten konfrontiert: ein Exorzismus.
Ich habe schon einmal davon berichtet, wie sehr ich mich gegruselt habe beim Kinofilm „Der Exorzist“ – nur etwas für starke Nerven. Jetzt gibt es in den Videotheken in der Tat vier Fortsetzungen davon und darüber hinaus andere Filme aus diesem Genre. Der neueste heißt, so glaube ich: „ Der Exorzismus der Audrey Rose“. Vor Weihnachten kam er in die Kinos.
Alle diese Filme berichten davon, daß ein junger Mensch von Dämonen besessen ist oder vom Teufel selber, und daß er in diesem Zustand zu übernatürlichen und äußerst schrecklichen Dingen fähig ist. Telekinese, Telepathie, körperliche Höchstleistungen bringen diese Besessenen der Hollywoodindustrie zustande.
Wir kennen das Phänomen dämonischer Besessenheit auch aus anderen Kulturen, vor allem ekstatischen und schamanischen Religionen. Die Religionswissenschaft unterscheidet sogar zwischen einem afrikanischen Typus und einem eurasischen Typus des Exorzismus.

Früher handelte man in der römischen Kirche das archaische Ritual der Teufelsaustreibung unter dem Ladentisch, heute publiziert man öffentlich den neuen Studiengang im Dämonenaustreiben an der Hochschule der Vatikans. Das erinnert mich an die ghanaische Pfingstlergemeinde (Pentecoste) in der Tersteegenkirche, bei denen solche exorzistische Rituale im Mittelpunkt stehen – wir alle haben mitunter die Schreie und Beschwörungen gehört.

Ausbildung und Weihe zum Exorzisten – das ist meiner Meinung nach ein Anachronismus und darüber hinaus auch aus psychotherapeutischer Sicht überflüssig..

Eine gute Bekannte, ihres Zeichens Psychiaterin, berichtete mir von einer Menge Fälle angeblicher dämonischer Besessenheit. Und als ich sie fragte, was man denn dagegen tue, sagte sie mir: Man gibt Medikamente. Dieses Phänomen, daß vor allem häufig bei Südländerinnen nach der Schwangerschaft auftritt, ist zu 99 % rein medikamentös heilbar. Einen Fall wo die Medizin nicht helfen konnte ist ihr nicht bekannt. Schnell verpufft der Glaube an Dämonen und Teufel wie eine Seifenblase. Es ist ohnehin eine Glaube, der nicht originär christlich ist, sondern ein religionsgeschichtliches Phänomen mit vorderasiatischer Herkunft.

Ich wollte es gäbe einen Teufel, den man für all das Leid, das Menschen verursachen, verantwortlich machen kann. Dann hätten wir jemanden, dem wir das Leid in der Welt, den Hunger, Massenvergewaltigungen, Völkermord und Auschwitz in die Schuhe schieben könnten. Doch so einfach, meine Lieben, ist das nicht. Das Leid ist auf unserem Mist gewachsen, dafür können wir keine mythologische Bocksgestalt heranziehen. Es wäre ein Ablenken von unserer eigenen Verantwortung.

Doch originär und tief sitzen in uns die Ängste, Opfer einer fremden Macht zu werden, das eigene Tun nicht mehr steuern zu können, nicht mehr Herr unserer Sinne zu sein, von außen bestimmt zu werden. Es hat zu tun mit dem Grundbedürfnis von Freiheit und Autonomie - mit dem Bedürfnis nach Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Das macht die Horrorstreifen auf VHS und DVD so schauderhaft: der Gedanke fremdbestimmt zu werden, vergewaltigt zu werden von einer fremden Macht, einem Dämon.

Mancherlei kann man sich vorstellen unter einem Dämon, einem unreinen Geist. Aber ganz sicher wird man bei der Seelenerkrankung dieses Mannes der in der Synagoge tobt, an einen Menschen denken müssen, der zutiefst an sich selbst leidet, ausgeliefert und heimgegeben jeder Art psychischer Unfreiheit. In einem solchen Menschen herrscht ein Zwang, anders zu fühlen, anders zu denken, anders zu reden, anders zu handeln, als er selbst es will.

Er muß sich selbst wie umlagert, wie gefesselt, buchstäblich wie besessen vorkommen. Die Außenstehenden haben Angst vor ihm, er erscheint unrein, unberührbar, nicht koscher, a-sozial – man meidet ihn, stößt ihn ab, versucht ihn womöglich zu kontrollieren wie ein Tier in einem eingezäumten Gatter oder legt ihn an die Kette. Er selbst wagt sich kaum noch unter die Leute, er nimmt das Bild an, das andere von ihm haben – will sich in seiner Unreinheit der Welt nicht mehr zumuten.

Das gibt es, daß Menschen aufhören zu leben, sich statt dessen immer in den gleichen Teufelskreis von Angst und Selbsthaß und Einsamkeit bewegen. Nicht selten sind die Beweggründe und Ursachen hierfür in Kindertagen zu suchen. Bereits dort wird der Keim der Freiheit, die Freude am selbst, am freien Atmen, jäh erstickt. Bereits im Kindesalter lernen Menschen, daß sie sich niemals für sich selbst entscheiden dürfen, nie zu sich selbst Ja sagen dürfen. Die Angst vor Bestrafung, die dauernde Mahnung hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen und sie wird später zu einem Schwert in ihnen, das drohend bei jeder Seitwärtsbewegung ins Fleisch schneidet.

Ab da beginnt die Dämonie, die Automatik der Seelenzerstörung, der Mechanismus der verinnerlichten Angst. Am Ende wird man gar nicht mehr wissen, für welche Gefühle eigentlich, für welche Wunschregungen im einzelnen man sich verteufelt, vermeidet und haßt. Man wird schließlich nur noch wissen, daß man hassenswert, verteufelnswert, kurzum ein Monstrum ist. Ein Mensch der sich selber so erlebt, darf mit Recht unrein genannt werden, denn alles was ihn auszeichnet ist, daß man ihn seit Kindertagen mit dem Gift der Angst gefüttert hat.

Solch einem Menschen steht Jesus in der Synagoge gegenüber. Einem Menschen der sein Schicksal angenommen hat, ein Mensch dem seine Entfremdung nicht mehr bewußt ist, sie vielleicht sogar als etwas Positives – weil gewohntes - angenommen hat. Er will nicht befreit werden. In ihm regt sich das was Psychologen den Therapiewiderstand nennen. Weg ! ruft er. Jesus solle ihn in Ruhe lassen. Dieser Heilige Gottes solle seine unheilige Ruhe nicht zerstören. Eine furchtbare Bitte, die noch darum bitten und fleht das bisherige Unleben weiterführen zu dürfen.

Tatsächlich gibt es in unserer Welt Mechanismen und Automatismen, die Menschen auf solche Weise, bis zur Unkenntlichkeit deformieren. Oft ist der Anpassungsdruck von Außen so groß, daß nur noch e i n vorgeschriebener Weg im Leben übrigbleibt. Das ist dann aber meist ein Weg, der nicht d e r e i g e n e ist, sondern ein Weg der anderen.

Ein Blick in die Geschichte der Neurotik zeigt uns, daß auch kirchlicher Druck Menschen zu Besessenen machte. Ich denke hier an die ganze Leibfeindlichkeit, die dazu führte, daß Menschen jegliche Beziehung zu ihren Körper verloren ihn tabuisierten, ihn verneinten und das Gottesgeschenk der Sexualität und Lust als eine dämonische Plage begriffen. Wieviel, wieviel Leid wurde dort in die Welt gesetzt. Die Beichtstühle müßten ein Lied davon singen können. Mit Religion hat das nichts zu tun. Ganz im Gegenteil.

In diese Situation seelischer Verstümmelung, in dieses Leid durch Fremdbestimmung tritt Jesus als Befreier. Und er duldet es nicht, das Menschen auf Erden leben müssen, wie in der Hölle. Jesus gibt dem besessenen Mann alles zurück, was man ihm genommen hat: seine Freiheit, seine Schönheit, die Einmaligkeit und Unvertauschbarkeit seiner Person.

Die Austreibung, die Heilung ist ein Akt, der von Schreien und Toben und Brüllen begleitet ist. Alles was in den Wahnsinn getrieben hat wird herausgeschrieen. Schreie des Schmerzes über den Verlust der Jahre, Jubelschreie der Befreiuung, Schreie des Protestes, dumpfe Schreie aus Kindertagen, die erstickt wurden. Alle Ängste drängen aus dem Mann heraus in einer gewaltige Szenerie.

Es ist das erste Mal, daß Jesus öffentlich auftritt und sofort in dieser absoluten, radikalen Weise. Anders als die Schriftgelehrten, die dem unreinen, dem Besessenen am liebsten die Glocke der Aussätzigkeit umbinden würden. Jesus macht es sich zur Pflicht dem Mann zu helfen, nicht ihn abzuschieben. Ihn, den Aussätzigen, in den Arm zu nehmen, so wie er immer wieder – nicht die linientreuen, moralischen Hochwohlgeborenen – sondern grundsätzlich den der damaligen Welt in seine Arme nimmt und mit ihm zu Tische sitzt. Und der Mann ergreift die Chance, vielleicht die einzige Chance , die sich in seinem ganzen Leben bietet.

Was sagt uns daß heute? Ich denke die Erzählung der Heilung des Besessenen von Kapharnaum erzählt uns viel über Gott, und die neue Zeit, die angebrochen ist. Wir lernen, daß wir niemandem anderen gehören als allein Gott. Gott will uns als Personen, die selber leben. Dabei nimmt er uns an mit all unseren Schwächen und Sünden. Er hat uns die Freiheit geschenkt und duldet nicht, daß sie uns genommen wird, von niemandem und keinem. Der Mensch ist in den Augen Gottes - in seiner unendlichen Toleranz - immer rein. Niemals rein genug ist der Mensch hingegen für die Allzureinen, die Gesetzeshüter, für Männer mit den ewig richtigen Verordnungen und Anweisungen, die die Angst in die Welt der Menschen bringen. Sie sind die eigentlichen Dämonen, die uns die Luft abschnüren, auf unserer Brust hocken und uns wie ein Asthmaanfall ersticken lassen.

Mit Jesus jedoch ist eine neue Zeit begonnen. Nun liegt es an uns die Macht alter Angst und Furcht zu bannen und uns an diesem heutigen Evangelium zu erfreuen. Und das ist die Aufgabe des εύανγελιον, der Frohen Botschaft, Lehre zu ziehen aus dem befreienden Handeln Jesu. Ich persönlich kann mir jetzt jeden Horrorfilm anschauen – er lockt aus mir nur noch ein müdes Lächeln hervor. Und ich bin stolz, daß ich zu einer Gemeinschaft gehöre, die ganz klar Nein sagt zur Knechtung und Vergewaltigung der Seele. Das heutige Evangelium macht froh, denn es zeigt: Am Ende werden Freiheit und Wahrheit siegen, durch Christus unseren Herrn,

Amen



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