André Golob

Anmeldedatum: 21.10.2006 Beiträge: 129 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop
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Verfasst am: 26.11.2006, 14:09 Titel: Christus verbindet - Teil 1: „Njombe" |
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Christus verbindet
Ein tansanisches Tagebuch
Teil 1: „Njombe“
Dr. André Golob, Vikar von Düsseldorf und Köln, berichtet von seiner Reise zu den Missionsprojekten unseres Bistums in Tansania.
„You make my day!”, gnadenlos feuert der Gouverneur von Kalifornien sein Maschinengewehr in die Menge schmieriger Unholde. Das Dröhnen aus den Lautsprechern übersteigt das Babygeschrei und grenzt an Körperverletzung. Gebannte schwarze Gesichter starren wie hypnotisiert auf eine flache Mattscheibe, während sich der Bus mit 120 Sachen in jedes Schlagloch verbeißt. Nur drei Weiße sind gefesselt vom Blick nach draußen auf gigantische Affenbrotbäume, die silbern schimmern und die mächtigen Steinformationen des tansanischen Hinterlandes. Dirk Jüttner, meiner Frau und mir steht der Schweiß im Gesicht. Nach elf Stunden Buckelpiste ist in der warmen Cola vor mir kaum noch ein Molekül Kohlensäure enthalten und der Magen verkrampft sich ein wenig.
„Hakuna Matata – macht nichts, alles ist gut“, sage ich mir. Die Fahrt von Dar-es-Salaam, der großen Stadt an der Küste, nach Njombe ist eine Ochsentour, aber sie lohnt sich. An dichten Kiefern und Eukalyptuswäldern vorbei rast unser Bus, ein Gefährt mit profillosen Reifen und notdürftig mit Draht zusammengehaltenen Türen, seinem Ziel entgegen. Wir sind eine Stunde über der Zeit, aber das interessiert hier keinen in Afrika. Ich erinnere mich an die Worte eines Einheimischen auf Sansibar: „in Europa habt ihr Uhren, aber wir haben die Zeit“. Es ist tatsächlich so.
Karibu Sana
In der Gebirgsstadt Njombe angekommen überwältigt uns die Herzlichkeit der drei Nonnen, die lange auf uns gewartet haben. Ganz in blau gehüllt, mit weißer Haube und weißem Kragen kommen sie uns lachend und mit ausgebreiteten Armen entgegen: Sister Martha, die kuragierte Vorsteherin des Konvents, Sister Edna, die mich ein wenig an Mariette Vobbe erinnert und Jane, eine üppige, kräftige Nonne, die mir sofort den schweren Koffer aus der Hand reißt. Bepackt mit Rucksäcken und Kartons voll Computerzubehör bahnen wir uns einen Weg durch das Gewusel von Reisenden und Händlern, die auf den Straßen feilbieten, was das Herz begehrt - da gibt es von grünen Bananen bis hin zu potenzfördernden Zahnstochern fast alles. „The Anglican Diocese of South-West-Tanganyika“ steht auf dem großen Sticker, der auf der Türe des weißen Landrovers klebt. Njombe ist Sitz dieses tansanischen Bistums im Osten des Landes und der Konvent der Schwestern liegt nicht weit vom Ordinariat entfernt.
Der erste Eindruck vom weitläufigen Areal des Ordens ist überwältigend. Vor allem die gemauerten Gebäude beeindrucken mich, hatte ich doch eher mit Lehmunterkünften und Wellblechdächern gerechnet. „Karibu Sana“ (herzlich willkommen) klingt es von allen Seiten. Ein Pulk von Schwestern empfängt unseren Jeep, alle in dicke Strickjacken gehüllt, mit denen sie der enormen Kälte von 20 Grad plus . Für afrikanische Verhältnisse ist es hier im Gebirge tatsächlich eisig. Doch der mächtige Kiefernstamm, der Stück für Stück ins prasselnde Kaminfeuer geschoben wird, schafft da schnell Abhilfe. Unser Berater und Freund Dirk Jüttner, ehemaliger Missionsbeauftragter der Church of England, kennt die Sisters of St: Mary schon lange. Baba Dicki, wie ihn die Schwestern liebevoll nennen, engagiert sich schon einige Jahre für die elf CMM-Konvente im Land. Er spricht, was von einigem Vorteil ist, ein wenig Kiswahili, eine Sprache, die der legendäre Präsident Julius K. Nyerere zur Landessprache erhob und die großen Anteil hatte an der nationalen Identitätsfindung der Tansanier. Die Freundlichkeit der Menschen hier ist kaum zu überbieten. Schnell haben wir gelernt uns mit den Worten „Ahsante Sana“ (vielen Dank) zu bedanken und sind stets überrascht, dass man auf diesen Dank wiederum mit einem lang gezogenen „Ahsante“ (dankeschön) antwortet.
Gesicht zeigen
Am nächsten Tag, nach einer schweißlosen Nacht ohne Moskitonetze, lernen wir den Rest der Schwestern kennen. Einige schüchtern und etwas reserviert, wie Sister Joyce und Sister Francisca, andere versuchen mit gebrochenem Englisch etwas zu erfahren über die Gäste aus dem fernen Europa. Das Eis ist schnell gebrochen. Wir haben eine Welt-Karte mitgebracht und vereint suchen wir unsere beiden Länder. Photos aus der Gemeinde Düsseldorf, von den Besinnungstagen in Villigst und vom Franziskushof werden uns aus der Hand gerissen wie warme Semmeln. Man ist gespannt und neugierig, wie die Schwestern und Brüder aussehen, die sich im fernen Deutschland mit Afrika solidarisieren, will in Gesichter schauen, Eindrücke gewinnen. Die Stimmung ist familiär und heiter. Sister Sophie, die Schwester mit dem sympathischen, offenen Gesicht gerät schier aus dem Häuschen, als wir ihr eine Christen-Heute-Ausgabe zum Geschenk machen, bei der sie auf dem Titelbild zu sehen ist. Die Freude ist groß.
Investition in die Zukunft
Was die Schwestern in Njombe mit eigener Hände Arbeit zuwege gebracht haben ist beeindruckend. Schwester Martha führt uns über das mehrere Hektar große Anwesen des Ordens, das mitunter wie ein kleines Dorf anmutet. Aus einem Lehmhaus quillt dichter, schwarzer Rauch. Mir verschlägt es den Atem als ich eintrete und es dauert einige Zeit bis der Hustenreiz verfliegt und mein Blick auf eine Schwester fällt, die inmitten der Schwaden den Kochlöffel schwingt.
„Das ist eine unserer Küchen“ klärt uns Sister Martha auf. „Aber wir haben auch eine modernere Küche, die mit Biogas befeuert wird“. Wir sind überrascht, als sie uns an den Viehställen vorbei zur Biogasanlage führt. Vor allem Kuhdung wird hier in Brennstoff umgewandelt. Aber nicht nur Kühe finden sich bei den Schwestern, auch Ziegen, Kaninchen und Geflügel, nicht zu vergessen die Schweine. „Eine knusprige Schweineschwarte ist für mich das größte“, gesteht die Leiterin des Konvents lächelnd. Die Schwestern haben in kurzer Zeit eine Menge geleistet. Das Geld, das wir ihnen zur Verfügung stellen wird sinnvoll und vor allem vorausschauend und zukunftsorientiert genutzt. Fischteiche, Gemüseäcker, aber auch eine Baumschule wurden eingerichtet. Entlang der Hauptstraße bauen die Schwestern zur Zeit Ladenlokale, die in kürze vermietet werden, wenn eine große Einkaufstraße den Bauplänen der Regierung zum Opfer fällt. Es wird investiert zum Wohle der Menschen, vor allem der Frauen und Kinder. Die Familienarbeit vor Ort ist beispielhaft, man engagiert sich besonders im medizinischen und pädagogischen Bereich.
Das Lachen der Kinder
Schon von weitem hört man fröhliche Kinderstimmen zum rhythmischen Schlag der Buschtrommel. Es sind nur ein paar Schritte, die die Kapelle des Konvents vom Kindergarten der Schwestern trennt. Nicht nur Sister Annette, der Erzieherin mit der Trommel, liegt der Rhythmus im Blut. Die fünfzig Kinder, die sie umkreisen, wiegen sich singend im Takt und machen die Welle. Auf Kommando reißen sie die Arme hoch und heißen die Besucher aus dem fernen „Ujerumani“ (Deutschland) willkommen. Mit Bonbons, die dort „Pipi“ heißen, und bunten Luftballons erobern wir im Nu die Herzen der Kleinen in den grün-violetten Kindergartenuniformen.
„Mama Tina, Mama Tina“, mit diesen Worten zupft ein Mädchen mit großen schwarzen Kulleraugen am Rockzipfel meiner Frau. Sie hält ihr einen vollgesabberten Luftballon entgegen. „Aufblasen“ übersetzt Sister Annette. Ich spüre regelrecht wie meine Frau vor ihrem geistigen Auge die Liste einheimischer Krankheitserreger revue passieren läßt. Allen Bazillen und Parasiten zum Trotz schafft sie es jedoch nicht nein zu sagen. Egal – es geht uns allen dreien so. Der Anblick der johlenden und quietschenden Kleinen, die ihrer Freude über das neue Spielzeug ungehemmten Ausdruck verleihen, belohnt unseren Wagemut. Auch Schwester Annette ist gerührt und zeigt uns darauf die Räumlichkeiten des Kindergartens, in dem nicht nur gespielt, sondern auch gelernt wird. Erste Schreibübungen, regionale Geographie und die ersten Schritte in der englischen Sprache stehen auf dem Stundenplan - nicht zu vergessen die anglo-katholische Religionslehre. Eine gute Ausbildung schon im Vorschulalter ist die Initialzündung für den Erfolg im späteren Leben. Ohne die Leistungen der Kirchen im Bildungsbereich stünde der tansanische Staat vor einem gewaltigen Problem. Noch vor der „Uhuru“ (wörtlich: Freiheit), der Beendigung der Kolonialzeit im Jahre 1961, lagen 95 % aller Schulen in der Hand der Kirchen. Auch wenn offiziell die meisten Schulen nun der Administration der Regierung unterstehen, so ist das Bildungswesen doch von einer partnerschaftlichen Kooperation zwischen Staat und Kirchen geprägt. Nicht nur im Bistum South-West-Tanganyika ist dies zu merken. ...
(Fortsetzung folgt) André Golob
Die CMM-Schwestern
Die „Sisterhood of St. Mary“, abgekürzt nach ihrem Kiswahili-Namen „Chama cha Mariamu Mtakatifu“ CMM, ist eine schwarzafrikanische, anglikanische Schwesternschaft. Sie bildete sich aus der „Congregation of the Sacred Passion“ (CSP), einer eher europäisch geprägten Schwesterngemeinschaft, die der ehemalige, anglikanische Bischof von Sansibar, Frank Weston, im Jahre 1910 gründete. Einige dieser Schwestern hatten den Wunsch eine Gemeinschaft zu bilden, die besonders dem einheimischen, schwarzen Lebensstil Rechnung trug. So wurde von drei Schwestern 1946 die CMM gegründet, die ihr Mutterhaus in der Nähe der Kathedrale von Masasi in Maili Sita hat und erstaunlich schnell expandierte. Heute gibt es 12 Häuser (in: Ilala, Maili Sita, Mtandi, Mtwara, Newala, Liuli, Njombe, Sayuni, Tanga, Korogwe und Kwamkono). Eines von ihnen liegt in der Ortschaft Fiwila in Sambia. Zur Zeit leben in den Konventen über 150 Ordensfrauen - Schwestern, Novizinnen und Postulantinnen. Seit vielen Jahren werden sie unterstützt vom katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. |
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